King Charles - meine Meinung zum ersten offiziellen Porträt

King Charles - meine Meinung zum ersten offiziellen Porträt

Ich bin "late to the party" wie die Briten sagen würden - dennoch möchte ich gern über das offizielle Porträt von King Charles, gemalt von Jonathan Yeo, sprechen - und vor allem über die Berichterstattung darüber.

Ich muss zugeben - folgendes Short von mir auf YouTube, in dem ich ganz ketzerisch frage, ob Charles vielleicht lieber jemanden hätte fragen sollen, der sich mit Porträts auskennt (mich selbst natürlich, kleines Augenzwinkern) ist zwar nicht wirklich viral gegangen, hat jedoch 12k Aufrufe bekommen.

Zusammen mit der sonstigen Berichtserstattung und den Kommentaren unter meinem Video, das sei ein Fake (echt jetzt?), fällt mir dazu nur ein - unverantwortlich, wie sehr der Kunstunterricht in den letzten Jahren gestrichen wurde.

Wann haben wir denn verlernt, über Kunst zu diskutieren? Allenthalben war in den Medien zu lesen, es handele sich um ein "Gruselporträt" - und ja, ich schmunzle mit über die Vergleiche zum Bild von Vigo, der Geißel der Karpaten und dem Leiden von Moldawien aus Ghostbusters II. Auch fand ich es lustig, dass KI in das Bild Darth Vader oder den Imperator reinmischte. Das sind jedoch Internet-Memes - die dürfen das.

In der Berichterstattung sah es jedoch ähnlich aus:

König Charles, heftige Reaktion auf Gruselporträt - Berliner Morgenpost

 

Offizielles Porträt sorgt für Wirbel - Brisant

 

König Charles erntet nach Porträt heftige Kritik - Der Westen

 

Porträt für öffentliche Gebäude: Neues Bild von König Charles stößt auf Kritik - Der Spiegel

 

König Charles III. und sein Porträt: Bloody hell! - Der Spiegel

Ok, das sind jetzt alles nicht Kunstfachzeitschriften - das sind nur die Medien, die im Google-Algorithmus auf der ersten Seite landen, wenn man nach Presseberichten zu dem Porträt sucht. Doch auch Kunstseiten und Kunstmagazine berichten eher über den Unmut, den das Porträt auslöst als über die Gedanken, die in diesem Porträt verarbeitet sind. Einige wenige beschränken sich auf eine sehr grobe Beschreibung des Bildes - nichts weiter.

Ich fühle mich jedoch genötigt, hier als Porträtkünstlerin etwas dazu zu schreiben - finde ich das Bild ästhetisch - ja. Finde ich es "hübsch" - bedingt. Würde ich es mir in die Wohnung hängen - ein entschiedenes Nein.

Das Bild zeigt Charles in der Uniform der Welsh Guards, denen er 1975 beitrat, behangen mit Orden, die Hände auf einen filigranen Degen stützend. Auf der rechten Schulter des Monarchen schwebt ein Schmetterling - ein Monarchfalter. Wenn man ganz genau hinschaut, sieht man sogar in der Nähe einen zweiten Schmetterling, der wegzufliegen scheint. 

Das Gesicht von Charles ist unglaublich gut gearbeitet und erinnert mich - von Art der Hauttöne und den gemalten Abstufung - an die Arbeiten von Lucien Freud. Der Künstler Jonathan Yeo wird auf seiner Website als einer der führenden figurativen Künstler unserer Zeit beschrieben - führend auf jeden Fall in seiner Wahl der Motive bzw. vermutlich wählen diese als Kunde ja eher ihn als Künstler.

Laut der offiziellen Beschreibung des Porträts "verschwimmt die militärische Uniform des porträtierten subtil in den Hintergrund", was Yeos Malstil ausmache, da er seinen Fokus darauf lege, den Charakter des Sujet einzufangen, als es in seiner realen Erscheinung zu replizieren. Schaut man sich andere Bilder des Künstlers an, stimmt das durchaus. Oft gibt es nicht einmal einen Hintergrund, ansonsten ist es oft so, dass der Malstil in großen Teilen aussieht, als sei das Porträt nur in Teilbereichen fertig gearbeitet worden und an den meisten Stellen nur die Untermalung fertig.

Allerdings ist die gewählte Farbe Scharlachrot nicht wirklich subtil. Entspricht jedoch ehrlicher Weise der Farbe der Uniform der Welsh Guard. Die Farbe wurde vom Künstler laut eigener Aussage gewählt, um zum einen den historischen Kontext zu bekräftigen als auch eine moderne Art des Porträts zu unterstreichen - dieses Bild ist eben etwas anderes als die traditionellen Ölschinken der Monarchen vorher. Und für den Künstler auch Ausdruck, dass die Royals eben ein wenig anders sind als wir "Normalsterblichen".

Leider finde ich keine Quelle dazu mehr, ich habe jedoch einen Bericht am Rande gehört oder gelesen gehabt, der Künstler habe sich auch für die Farbe entschieden, da sie die Wärme, die Liebe und Leidenschaft sowie den feinen Sinn für Humor des Königs widerspiegele.

Den Charakter des Königs und wie er die 4 Sitzungen mit dem König empfunden habe, beschreibt Yeo sehr schön in diesem Interview:

In der Tat sind dies ebenfalls Symbolismen, die mit der Farbe rot in Verbindung gebracht werden - allerdings auch neben den negativen Attributen wie Blut, Zorn, Wut und Feuer im verzehrenden, negativen Sinn. 

Und da beginnt das Problem - das Motiv König Charles in der Uniform der Welsh Guards kann schlecht ohne den historischen Kontext des britischen Empires betrachtet werden - und somit ist es schwierig, über die Farbe nur die liebenswerten Eigenschaften des Monarchen dem Betrachter zu vermitteln. Durch die Uniform und den historischen Bezug der "Rotröcke" verbindet der Betrachter mit dem Rot eben immer auch die unschönen Seiten des Empires mit den Praktiken während der Kolonialisierung. Das macht die Wahl eben schwierig nachzuvollziehen, wenn man die Gedanken des Künstlers dazu nicht kennt.

Der Monarchfalter ist auch ein Objekt des Spotts bei dem ein oder anderen gewesen - angeblich habe der Monarch selbst vorgeschlagen, er möchte gern mit einem Schmetterling dargestellt werden, da er sich für den Umweltschutz engagiere und das in Erinnerung bleiben solle. Dies greift der Künstler auch auf, gibt jedoch an, die Idee erst richtig gut gefunden zu haben, als im Laufe der Arbeit an dem Werk der Prinz zum König wurde. Denn der Schmetterling ist in der Kunst immer ein Symbol der Transformation. Das im Sinn ist der angedeutete Schmetterling im Hintergrund ein schönes Sinnbild für die verstorbene Königin. Dazu ist der Schmetterling ein graziles Gegengewicht zur militärischen Uniform.

Abschließend möchte ich sagen - die rote Farbe empfinde ich als schwierig, da sie im falschen Kontext verstanden werden kann, wenn die Gedanken des Künstlers nicht bekannt sind (Hand hoch, wer liest wirklich einen Ausstellungskatalog vor dem Betrachten eines Bildes ;)). Das Gesicht allerdings ist wundervoll gearbeitet und auch finde ich die in dem Video genannte Arbeitsweise des Künstlers inspirierend - ich arbeite ja mit meinen Modellen nur per Foto, für dieses Porträt wurden mehrere Fotos geschossen, vier Sitzungen mit dem König selbst durchgeführt und kleinere Studien für das Gesicht angefertigt.

Schaue ich mir andere Werke von Yeo an, wünschte ich, er hätte den Hintergrund weniger stark strukturiert - dann wäre die Farbe Scharlachrot immer noch krass, die Struktur würde jedoch nicht von der Gesichtspartie ablenken. So wirkt es leider ein wenig, als feiere der Hintergrund seine ganz eigene Party. Trotzdem finde ich es ein wunderbares, zeitgenössisches Porträt.

Und um es mal klarzustellen - das Porträt muss dem Auftraggeber gefallen. Wieso das jetzt nur aufstößt - die Briten bezahlen quasi für ihre Royals. Und so wie deutsche Fußballfans zu Turnieren alle zu Supertrainern mutieren, mutieren nun eben viele Briten zu Kunstkennern - mit Sorge, hier sei Geld für Schund ausgegeben worden. Nur ist es trotzdem Sache der Royals, für was sie ihr Geld ausgeben. Kunst hat jedoch selten den Anspruch, jedem zu gefallen, noch muss sie zwingend hübsch oder schön sein. In Zeiten von weichgespülten, "perfekten" KI-Bildern ist dieses Porträt vielleicht genau das, was wir brauchen. Noch sehen wir es vielleicht nur noch nicht.

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.